Eine Reihe von Entwicklungen in der Gesellschaft, in der Gesundheitsversorgung und in der medizinischen Forschung haben dazu geführt, dass die aktive und partnerschaftliche Beteiligung von Patientinnen und Patienten sowie anderen Stakeholdern (Betroffene, Angehörige, Vertreterinnen und Vertreter von Gesundheits- und Pflegeberufen, Bürgerinnen und Bürger etc.) an Projekten der Gesundheitsforschung zunehmend in den Fokus rückt.
Partizipation: gesellschaftliche Entwicklung und Qualitätsfaktor für die Forschung
Modernes Regierungs- und Verwaltungshandeln ist durch verteilte Entscheidungsbefugnisse und politische Entscheidungsprozesse charakterisiert, die zunehmend partizipativ gestaltet werden. In der Gesundheitsversorgung haben sich Konzepte der gemeinsamen Entscheidungsfindung zwischen Ärztin/Arzt und Patientin/Patient durchgesetzt. „Nichts über uns ohne uns“ ist eine wesentliche Forderung von Betroffenengruppen, die sich ebenso auf Fragen der Inklusion und gesellschaftlichen Teilhabe bezieht wie auf Präventions- und Behandlungsmöglichkeiten und deren Erforschung.
In der medizinischen Forschung gab es zudem in den vergangenen Jahren weltweit Diskussionen über die Qualität wissenschaftlicher Projekte und die Relevanz der Ergebnisse für die Betroffenen. Die Einbeziehung von späteren „Nutzern“ dieser Ergebnisse und an der Umsetzung beteiligten „Akteuren“ in den Forschungsprozess – von der Formulierung der Fragestellung bis zur Interpretation und Implementierung der Ergebnisse – hat sich hier als ein wesentliches Element herauskristallisiert, um diese Qualitätsaspekte zu adressieren. Aktive Beteiligung insbesondere von Patientinnen und Patienten kann dazu beitragen, dass Gesundheitsforschung besser priorisiert, geplant, durchgeführt, kommuniziert und implementiert werden kann.
Verschiedene Formen der Beteiligung möglich, „Feigenblätter“ vermeiden
Dabei steht „Partizipation“ bzw. „aktive Beteiligung“ oder auch „Co-Forschung“ für ein breites Spektrum an Möglichkeiten, wie gemeinsame Forschung gestaltet werden kann. Häufig wird der Begriff missverstanden und als Beteiligung von Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern als die Objekte der Forschung interpretiert. Dies ist hier nicht gemeint.
Zahlreiche Modelle beschreiben die verschiedenen Stufen der Beteiligung – von der einfachen Einbeziehung im Sinne der Anhörung Betroffener über die Mitbestimmung im Forschungsprozess, bis hin zur gleichberechtigten Co-Produktion von Wissen. Darüber hinaus können Betroffene auch selbstorganisiert Forschung initiieren und durchführen und dazu ihrerseits Forscherinnen und Forscher als Dienstleister und Berater einbeziehen.
Forschungsförderer und Verlage fordern Partizipation zunehmend ein
International, gerade im englischsprachigen Raum, wird Partizipation – häufig auch als „Patient and Public Involvement“ (PPI) bezeichnet – schon länger gefordert und gefördert. Insbesondere zu nennen sind hier die Initiativen INVOLVE in Großbritannien und PCORI in den USA. Die Herausgeber namhafter internationaler Fachzeitschriften fordern zunehmend, dass die eingereichten Arbeiten partizipative Elemente enthalten oder die Autorinnen und Autoren zumindest zu diesem Aspekt Stellung nehmen sollen. Zur Unterstützung hierfür gibt es Hilfestellungen wie beispielsweise die GRIPP2 reporting checklists.
Auch in Deutschland gewinnt das Thema zunehmend an Bedeutung. Verschiedene Forschungsförderorganisationen haben in den vergangenen Jahren begonnen, im Rahmen von Bekanntmachungen zu Förderungen im Bereich der Gesundheitsforschung die aktive Beteiligung von Patientinnen und Patienten vorzusehen und hierfür entsprechende Mittel bereitzustellen.
Fortbildungsangebot macht Forschende fit für aktive Beteiligung
Eine in der wissenschaftlichen Literatur und in verschiedenen Stellungnahmen zum Thema wiederholt geäußerte Hürde für die Umsetzung aktiver Beteiligung von Patientinnen und Patienten ist, dass Forscherinnen und Forscher in Deutschland durch ihre Ausbildung nicht ausreichend auf die entsprechenden Aufgaben und Herausforderungen vorbereitet sind und dass es bisher kaum entsprechende Fortbildungs- und Unterstützungsangebote gibt. Diese Lücke schließt das Fortbildungsangebot der IQIB-Akademie.
Die Fortbildung soll es Forscherinnen und Forschern ermöglichen, sich in relativ kurzer Zeit mit den Methoden und Prozessen der aktiven Beteiligung von Patientinnen und Patienten sowie anderen relevanten Stakeholdern vertraut zu machen. Die Teilnehmenden erwerben Kompetenzen, die ihnen beim Aufbau einer langfristigen Forschungspartnerschaft mit den Betroffenen helfen.